Dankbarkeit: Der goldene Weg zu einem gesunden Selbstbewusstsein

Es klingt nach Binsenweisheit, ist es aber nicht: All das Gute und Gesunde in unserem Leben ist nicht selbstverständlich. Leid und Schmerzen, die uns erspart bleiben, machen uns zu privilegierten Zeitgenossen. – Im Folgenden erkläre ich, warum es unserem Selbstbewusstsein gut tut, wenn es uns gelingt, ehrlich Dankbarkeit zu empfinden und aufrichtig Danke zu sagen. Dabei stütze ich mich auf Beobachtungen, die ich als Coach und Berater im Umgang mit Persönlichkeitsentwicklung, Krisenbewältigung und Selbstwertgefühl-Problemen gesammelt habe. Der Artikel ist damit als praktischer Impuls zum Selbst-Coaching zu verstehen. Dazu dient speziell die Methode des Dankbarkeits-Tagebuchs, die ich am Ende des Beitrags vorstelle.

Warum ist Dankbarkeit so wichtig?

Ehrlich empfundene Dankbarkeit ist nicht nur gut für denjenigen, bei dem man sich bedankt. Sie nutzt besonders dem, der sie empfindet. Dankbares Verhalten zeigt, dass man mit beiden Beinen im Leben steht; dass man mit sich selbst und mit der Welt, in der man lebt in guter Weise verbunden ist; dass man im Stande ist, zu geben und zu nehmen. So wirkt ein dankbarer Blick auf das Gute und Gelungene belebend und hilft dabei, auch in schweren Zeiten immer wieder neue Kraft zu schöpfen.

Das Gegenteil von Dankbarkeit

Das Gegenteil von Dankbarkeit, wie ich Sie hier verstanden wissen will, ist nicht ‚Undankbarkeit‘, sondern Gleichgültigkeit. Das Gute, das wir nicht mit einem Gefühl der Dankbarkeit betrachten, gelangt als vermeintliche Selbstverständlichkeit in unseren Erfahrungsschatz. Es bereichert diesen aber nicht, denn das Selbstverständliche ist blass und langweilig:

  • Was man für selbstverständlich nimmt, dient weder als Motivation für neue Anstrengungen, noch als Kraft- und Glücksquelle in schweren Zeiten.
  • Was blass und langweilig ist, macht latent unglücklich und somit anfällig für die Verlockungen kurzfristiger Befriedigungen und/oder abhängig von materiellem Wachstum und positivem Feedback.
  • Bleibt das für selbstverständlich Gehaltene einmal aus, gedeihen Unzufriedenheit und Frustration wie Pilze, die das Selbstbewusstsein und Glücksempfinden vergiften.

Man kann flapsig und vereinfacht sagen: Ohne Dankbarkeit ist das Leben nicht halb so schön. Wer das Gute im Leben für selbstverständlich nimmt, dessen ‚Glückskonto‘ ist bestenfalls ausgeglichen; ständig droht er tief ins Soll zu rutschen.

Aktive Inbesitznahme

Darüber hinaus gehört Dankbarkeit zum Prozess einer positiven Inbesitznahme. Es macht einen Unterschied, ob man die Dinge, die einem das Leben zuspielt, einfach nur ‚konsumiert‘ oder ob man sie dankend und damit bewusst – selbstbewusst! – annimmt. Man kann sagen, dass Dank wie ein Zahlungsmittel für Lebendigkeit funktioniert. Nicht umsonst besteht eine enge Verbindung zwischen den Wörtern „Dank“ und „schulden“. Ich möchte diese Beobachtung kurz erläutern:

Ein Geschenk, dass ich erhalte, gehört mir erst dann wirklich, wenn ich es mit Dankbarkeit angenommen und dankbar betrachtet habe. Jetzt steht zwischen mir und dem Geschenk keine Schuld mehr. Ich habe es ‚bezahlt‘. Es gehört nun mir. Damit habe ich die Freiheit, nach eigenem Gutdünken mit ihm umzugehen, mich uneingeschränkt an ihm zu freuen, es in mein Leben zu integrieren, es zu verändern, es weiterzugeben oder es beiseite zu stellen und zu vernachlässigen. Das gilt für materielle Geschenke, die ich von einer konkreten Person erhalte genauso wie für immaterielle ‚Geschenke‘, die mir im oder durch das Leben zuteil werden. Zu Letzteren gehören z. B. Gesundheit, ein fürsorgliches Elternhaus, Freundschaften, eine schnelle Auffassungsgabe, Kreativität, Bildung uvm.

Braucht Dankbarkeit einen ‚Dankempfänger?‘

Meine Antwort auf diese Frage fällt ein klein wenig abstrakt aus: Dankbarkeit kann sich an konkrete Personen, an Institutionen/Systeme oder an Gegebenheiten des Schicksals richten. Sie ist demnach zielgerichtet, ohne wirklich zielabhängig zu sein. Damit meine ich, dass es zwar schön ist, wenn das Ziel des Dankes den Dank (dankbar) annimmt und positiv quittiert. Strenggenommen ist dieses Bonbon allerdings nicht nötig, um Dankbarkeit empfinden zu können. Entscheidend ist, welches Maß an Dankbarkeit man selbst zu empfinden im Stande ist.

Ein Beispiel: Wenn mir ein ehrlicher Finder mein verlorenes Portmonee (mit samt seinem Inhalt) anonym zuschickt, dann bin ich sehr dankbar. Ich freue mich, werde in meinem Glauben an das Gute in vielen Menschen bestätigt und darin bestärkt selbst gut und großzügig zu sein. Nähme ich die Sache als Selbstverständlichkeit, wäre mein Glück gleich Null und die positiven Folgen für mich und meine Mitmenschen blieben aus.

 

Sei Dankbar! – Kein Anspruch auf Glück

Man sagt zwar: „Das Glück ist mit den Fleißigen.“ Hieraus lässt sich aber (auch für Fleißige) kein Anspruch auf Glück ableiten. Je nachdem wie groß der Einsatz und die Opfer sind, die man zum guten Ausgang einer Entwicklung erbracht hat, mag das Dankbarkeitsempfinden größer oder kleiner ausfallen. Für Geschenke und Erfolge, die einem in den Schoß gefallen sind, wäre man demnach in einem höheren Maße dankbar als für Dinge, die man sich durch harte Arbeit ‚erkauft‘ hat. Aber stimmt das? Ist nicht vielleicht genau das Gegenteil der Fall? Man freut sich am intensivsten am Erfolg, den man sich tatkräftig erarbeitet hat. Geschenke sind demgegenüber nichts als nettes Beiwerk.

Geschenkt oder erarbeitet, geerbt oder verdient, Glück gehabt oder durch sorgfältige Planung erlangt: Sämtliche Früchte, die wir im Laufe unseres Lebens verzehren, schmecken besonders gut, wenn wir sie mit Dankbarkeit zu zuckern verstehen.

Das Glück ist mit den Dankbaren

Es ist also gut, wenn es einen greifbaren Empfänger für unseren Dank gibt. Wir helfen ihm, uns selbst und unserer Beziehung zu ihm, indem wir unsere Dankbarkeit offen und vernehmlich äußern. Sollte es diesen Empfänger nicht oder nicht mehr geben, beraubt uns das nicht der Möglichkeit, bewusst eine dankbare Haltung einzunehmen, bzw. uns bewusst zu machen, wie dankbar wir in Wirklichkeit sein sollten / in Wirklichkeit sind. Religiöse Menschen haben es hier besonders leicht, da sich ihre Dankbarkeit immer auf ein absolutes, göttliches Ziel richten kann.

Selbstbewusstsein: Das Vermögen, dankbar zu sein

Sich zu bedanken bzw. eine dankbare Haltung einzunehmen, ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein und Souveränität. Das wird aber nicht von jedem intuitiv so wahrgenommen. Ich beobachte nicht nur im Coaching immer wieder zwei ungesunde Einstellungen gegenüber der Dankbarkeit:

  • Dankbarkeit ist eine Pflicht. – Entweder man gehorcht dieser vermeintlichen Pflicht, ganz einfach weil sich das so gehört, oder man lehnt sie ab, weil man glaubt, auf diese Weise Stärke demonstrieren zu können. – Dieses Verhältnis zu Dankbarkeit bzw. Undankbarkeit kann sich entwickeln, wenn man als Kind zu Dankbarkeit und Unterwürfigkeit ‚erzogen‘ wurde. „Sag schön danke.“ oder „Du bist ein undankbares Kind, schäm dich!“ Sie sehen schon, worauf ich hinaus will: Indem man Kinder zum Danke-Sagen zwingt, bringt man ihnen im besten Fall Manieren bei, mehr aber auch nicht. Man lehrt sie so aber nicht, aufrichtig Dankbarkeit zu empfinden. Wie das gelingen kann, steht auf einem anderen, durchaus wertvollen, Blatt.
  • Dankbarkeit hab ich nicht nötig. – Diese gedankenlose Haltung entwickelt sich leicht, wenn Kinder in materiellem Überfluss und einer Atmosphäre der Selbstverständlichkeit aufwachsen, oder wenn Emotionen (auch das Gefühl von Abhängigkeit) als Schwäche verurteilt werden. Oberflächlich gesehen entwickeln sie unter Umständen ein gesundes Selbstwertgefühl. Sie halten sich selbst vielleicht für leistungsstark und krisenfest. Oft werden sie dann aber im weiteren Verlauf des Lebens schmerzlich eines Besseren belehrt, wenn das Schicksal sie mit wirklichen Krisen konfrontiert und vermeintlich Selbstverständliches nicht mehr selbstverständlich ist.

Die eigene Dankbarkeit wahrnehmen

Die Möglichkeit, dankbar zu sein, wird oft gar nicht wahrgenommen. Wenn ich als Coach Klienten, die sich ein besseres Selbstbewusstsein wünschen frage, wofür im Leben sie Dankbarkeit empfinden oder ob sie diesem oder jenem schon einmal ‚Danke‘ gesagt haben, treffe ich oft auf große Nachdenklichkeit und großes Erstaunen. Es ist dies bisweilen der Beginn von wertvollen Gedankengängen, in deren Verlauf sich der Grund für ein reiferes und positiveres Selbstbild entwickelt.

Sowohl in der Beratung als auch im Selbst-Coaching erfährt das Thema Dankbarkeit vermutlich häufig nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient. Sei es im Zusammenhang mit einer Stärkung des Selbstwertgefühls, bei Sinn-und Wertefragen oder, wenn es um das Überwinden von Krisen geht, es ist oft zielführend, über Dankbarkeit zu sprechen und Schritt für Schritt eine dankbare Haltung aufzubauen.

Wie lernt man Dankbarkeit?

Dankbarkeit empfinden und ausdrücken zu können, spricht wie gesagt für ein gesundes Selbstbewusstsein. Aufgesetzte Dankbarkeit ist gelegentlich besser als unverhohlene Undankbarkeit. Sie hilft aber nur dabei, Distanz und Unverbindlichkeit in unangenehmen Situationen aufzubauen, sich selbst zu schützen oder sich selbst ostentativ über die anderen (ungehobelten Typen) zu stellen.

Um sich in Dankbarkeit zu üben, ist es zunächst hilfreich, sie mit durchweg positiven Begriffen zu verbinden und von negativen Begriffen frei zu machen. Was soll das bedeuten?

  • Negative Haltung gegenüber Dankbarkeit aufgeben:
    Aufrichtige Dankbarkeit ist KEIN Zeichen von Unterwürfigkeit, Schwäche, Dummheit, Naivität.
  • Sich positiv zu Dankbarkeit einstellen:
    Aufrichtige Dankbarkeit ist ein Zeichen von Souveränität, Größe, Reflektiertheit, Ehrlichkeit, Mut und Selbstbewusstsein.

Die Devise lautet: Dankbar sein heißt Souverän sein. 

Haben Sie erst einmal eine positive Einstellung zur Dankbarkeit gewonnen, sind Sie bereit, Ihre Wahrnehmung und Ihr Denken auf Dankbarkeit hin zu optimieren. Das funktioniert besonders gut, indem Sie ein Dankbarkeitstagebuch führen:

Dankbarkeitstagebuch

Besorgen Sie sich ein schönes, dem Thema angemessenes Tagebuch. Gewöhnen Sie sich daran, in diesem Tagebuch allabendlich (am besten kurz vor dem Einschlafen) festzuhalten, wofür Sie am jeweiligen Tag dankbar sind.

  • Was ist gut gelaufen?
  • Was ist mir Gutes widerfahren?
  • Wobei hatte ich Glück?
  • Was habe ich genossen?
  • Was ist mir gut gelungen?
  • Was war gut und nicht selbstverständlich?
  • Wofür bin ich dankbar?

Überlegen Sie bei dieser Gelegenheit, ob Sie all jenen, denen Sie aktuell Dank schulden, angemessen gedankt haben. Nehmen Sie sich bei Bedarf vor, dies nachzuholen.

Legen Sie in Ihrem Dankbarkeitstagebuch ein Kapitel mit der Überschrift: „Wofür und wem ich in meinem bisherigen Leben dankbar bin“ an. Hier sammeln Sie nach und nach entsprechende Gedanken und Erinnerungen.

Ein über mehrere Wochen aufmerksam geführtes Dankbarkeitstagebuch wirkt Wunder:

  • Sie setzen Ihr Gehirn für die Nachtzeit auf positive Denkbahnen.
  • Sie schulen Ihre Aufmerksamkeit für Dankenswertes und Gutes.
  • Sie erhalten eine Sammlung positiver persönlicher Erfahrungen.

Schon nach wenigen Wochen entwickeln Sie bzw. entwickelt sich in Ihnen eine souveräne Grundhaltung sich selbst, Ihren Mitmenschen und Ihrem Leben gegenüber. – Probieren Sie es aus und schreiben Sie mir gerne Ihre Erfahrungen.

Und wenn man über Dankbarkeit nachdenkt, sollte man auch untersuchen, wie es um die Fähigkeit, Dank anzunehmen bestellt ist und auch, was man tun kann, damit man bei ausbleibendem Dank keinen Schaden nimmt (Stichwort: Frustration und Burnout). Auch diese Themen sind im Coaching regelmäßig von Bedeutung. Ich werde ihnen bei Gelegenheit eigene Artikel im Walk & Talk Blog widmen.